Mental Load und Erschöpfung – warum so viele Frauen am Limit sind

Wenn der Kopf nie Feierabend hat

„Hast du eigentlich schon…?“
„Denk bitte noch an…“
„Wir müssten mal wieder…“

Diese Sätze kommen dir bekannt vor? Und zwar nicht, weil sie jemand zu dir sagt – sondern weil sie ständig in deinem eigenen Kopf kreisen? Dann ist dieser Text für dich.

Ob du in einer Beziehung lebst oder allein, mit Kindern oder ohne, angestellt oder selbstständig: Viele Frauen fühlen sich heute erschöpft – nicht weil sie „zu viel tun“, sondern weil sie an zu viel denken müssen. Und oft merken wir gar nicht, wie sehr uns das zermürbt. Es ist eine Erschöpfung, die keinen Namen hatte – bis vor ein paar Jahren. Heute nennen wir sie: Mental Load.


Was genau ist Mental Load?

Mental Load bedeutet: Die unsichtbare Last im Kopf. Sie besteht aus Denkarbeit, Planen, Koordinieren, Merken, Erinnern, Kontrollieren. Es geht nicht darum, wie viele To-dos du heute erledigt hast, sondern wie viele du mit dir herumgetragen hast. Wie viele Tabs in deinem Kopf gleichzeitig offen waren. Wie viele Gedanken du vorsorglich gedacht hast – damit etwas reibungslos läuft. Ohne, dass es jemand bemerkt.

Mental Load ist:

  • an den Geburtstag der Kollegin denken und das Geschenk organisieren
  • im Kopf behalten, dass der Mietvertrag verlängert werden muss
  • immer wissen, wann die Pflanzen gegossen wurden
  • die sozialen Kontakte im Blick behalten, die Steuer, das Abendessen mit der Chefin
  • rechtzeitig neue Rasierklingen bestellen, bevor du dich ärgerst
  • an den Elternbesuch denken, an die nächste Präsentation, an das Gespräch mit der Freundin, das du ewig aufgeschoben hast

Es ist ein Netz aus Verantwortung, das sich leise um dich spannt – und dich manchmal zu Boden drückt, ohne dass du verstehst, warum.


Warum betrifft es vor allem Frauen?

Weil uns beigebracht wurde, zu funktionieren. Weil viele von uns von klein auf gelernt haben, dass sie die sind, die „mitdenken“, „umsichtig sind“, „Verantwortung übernehmen“. Auch wenn sich unsere Lebensrealitäten verändert haben – unsere inneren Rollenbilder haben es oft noch nicht.

Selbst unter progressiven, gut verdienenden, unabhängigen Frauen ist es verbreitet:

  • Die eine kümmert sich um den WG-Haushalt, obwohl alle erwachsen sind.
  • Die andere hat die Reiseplanung für den Freundeskreis übernommen – schon wieder.
  • Eine Kollegin managt ein Team und übernimmt dazu noch die emotionale Fürsorge für alle.
  • Und viele Singles haben zwar niemanden, für den sie mitdenken – aber sie übernehmen alles allein. Ohne Backup, ohne Delegation. Kein Wunder, dass der Kopf nie leer ist.

Mental Load betrifft nicht nur Mütter oder Ehefrauen. Es betrifft alle, die still und selbstverständlich mehr tragen, als sie zeigen.


Die Erschöpfung, die nicht aussieht wie Erschöpfung

Mental Load zeigt sich nicht im Kalender, nicht im Bankkonto, nicht im Gespräch. Sie ist diffus, aber allgegenwärtig. Sie raubt dir Konzentration, Kreativität, Geduld, Schlaf. Und sie raubt dir das Gefühl, jemals „fertig“ zu sein. Dein Alltag ist ein permanenter Hintergrundprozess.

Und weil sie nicht sichtbar ist, bekommst du auch selten Anerkennung. Kein Dank, kein Schulterklopfen – nicht einmal von dir selbst. Im Gegenteil: Du zweifelst vielleicht an dir, denkst, du stellst dich an, weil andere doch auch „alles hinkriegen“.

Doch weißt du was?
Du stellst dich nicht an. Du trägst mehr, als andere sehen. Und das zu benennen, ist kein Jammern. Es ist der erste Schritt zur Veränderung.


Was können wir tun?

Sprich darüber. Mit deinen Freundinnen, Kolleginnen, Partner:innen. Mach das Unsichtbare sichtbar. Frag dich ehrlich: Wer denkt bei uns eigentlich an was? Wer übernimmt Verantwortung – und wer wird automatisch dafür gehalten?

Schau auf deinen Alltag. Welche Denkprozesse laufen ständig im Hintergrund? Was davon kannst du abgeben – und auch gedanklich loslassen? Welche Verantwortung hast du übernommen, ohne dass es je abgesprochen wurde?

Sag öfter Nein. Nein zu Projekten, Treffen, Verabredungen, wenn dein inneres System schon auf Anschlag läuft. Du musst dich nicht erklären. Nein ist ein vollständiger Satz.

Erlaube dir Pausen. Nicht erst, wenn du nicht mehr kannst – sondern regelmäßig, als Akt der Selbstfürsorge. Gönn dir Leerlauf. Nichts-Tun. Ein Wochenende offline. Ein Abend, an dem du nicht für andere verfügbar bist.

Sei gnädig mit dir. Du bist nicht weniger wert, wenn du nicht alles perfekt im Griff hast. Du bist nicht egoistisch, wenn du an dich denkst. Und du bist nicht schwach, wenn du müde bist. Du bist einfach: Mensch.


Weiterdenken, weiterfühlen

  • Wie könnte ein Alltag aussehen, der mental wirklich entlastet – nicht nur organisiert?
  • Welche Strukturen in Beruf, Familie, Freundeskreis fördern Mental Load – ohne dass wir es merken?
  • Welche Sprache brauchen wir, um unsere Erschöpfung nicht zu verstecken, sondern zu teilen?
  • Was passiert, wenn Frauen kollektiv aufhören, still zu funktionieren?
  • Wie sieht echte Selbstfürsorge aus – jenseits von Schaumbad und „Me-Time“?

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